BB002 |
Erzbischöfliche Finanzkammer |
1788-2000 |
Mit der Neuregelung der Diözesanverwaltung 1821 bestand diese aus fünf Behörden: Metropolitangericht, Ehegericht, Allgemeiner Geistlicher Rat, Generalvikariat und Kanzlei. Mit Finanzfragen waren dabei in erster Linie die Kanzlei und der Allgemeine Geistliche Rat befasst: Über die Kanzlei wurde nicht nur der gesamte Schriftverkehr abgewickelt, sondern auch das gesamte Rechnungswesen des Ordinariats. Der Allgemeine Geistliche Rat wiederum war ursprünglich für die „Restauration“ der Religiosität und Kirchenzucht, die Ausführung der Konkordatsbestimmungen, Schulangelegenheiten sowie die Dismembrierung der Pfarreien und anderen Benefizien zuständig. Seine Befugnisse weiteten sich im Laufe des 19. Jh. jedoch auf die gesamten „Temporalien“ aus. Der Allgemeine Geistliche Rat verwaltete damit das Kirchen- und Pfründevermögen sowie das kirchliche Bauwesen, in seine Zuständigkeit fielen zudem die Studien- und Schulfragen, die Verwaltung der Seminarien, Klostersachen – soweit sie Temporalien betrafen –, der Diözesankunstverein und die Abgrenzung von Dekanats- und Pfarrsprengeln. Auch die Aufsicht über den Diözesanemeritenfonds wurde ihm übertragen.
Allgemeiner Geistlicher Rat und Generalvikariat waren wie Metropolitangericht und Ehegericht kollegial verfasste Gremien. Die Mitglieder wurden dabei vom Erzbischof aus dem Kreis der Domkapitulare berufen. Während im Allgemeinen Geistlichen Rat alle Domkapitulare vertreten waren, waren dem Generalvikar zunächst nur fünf Räte zugeordnet. Im 19. Jh. nahm die Bedeutung des für die „Spiritualien“ zuständigen Generalvikariats jedoch laufend zu, was sich in der Zahl der zugeordneten Domkapitulare ermessen lässt. Um 1900 waren beide Kollegien letztlich personell identisch besetzt. Vermutlich 1928 wurden deshalb beide Sitzungen zur gemeinsamen Ordinariatssitzung zusammengefasst. Allgemeiner Geistlicher Rat und Generalvikariat bestanden formell zwar noch weiter, waren aber zunehmend nur noch mit der Person bzw. den Aufgaben des Direktors des Allgemeinen Geistlichen Rats sowie Generalvikars wahrnehmbar.
Während beim Staat das Kollegialsystem bereits 1799 abgeschafft und durch das Präsidialsystem ersetzt worden war, blieb es in der Kirche noch mehr als 100 Jahre bestehen. Erst in den 1920er Jahren wurde die kollegial verfasste erzbischöfliche Verwaltung um bürokratisch organisierte Ämter ergänzt.
Den gravierendsten Eingriff in die Ordinariatsverfassung bildet dabei die Gründung der Finanzkammer zum 1. April 1928. Zweck der Neugründung war eine Vereinheitlichung und Zentralisierung der gesamten erzbischöflichen Finanzverwaltung. Alle Kassen und Fonds, die das Erzbischöfliche Ordinariat bis dahin aus eigener Zuständigkeit über die Kanzlei verwaltet hatte, d.h. die Regiekasse des Ordinariats, die Taxenkasse, der Peterspfennig, die Fonds der Erzbischöflichen Seminarien, die Messstipendienkasse, die Kasse der kirchlichen Sammlungen, die Besoldungskasse der Seelsorgsgeistlichen und die Kasse der Erzbischöflichen Emeritenanstalt wurden in dem neuen Amt zusammengefasst. Darüber hinaus schlug man der Finanzkammer noch die Verwaltung weiterer Kassen zu, die sie zuständigkeitshalber nicht von sich aus beanspruchen, sondern nur kommissarisch im Auftrag verwalten konnte, so z. B. die Kasse Diözesangesamtsteuerverbandes der katholischen Kirche in Bayern, des Korbiniansvereins, des St. Bonifatiusvereins und des Nuntiaturbauvereins. Hinzu kam noch die Kassenführung für die Katholische Gesamtkirchengemeinde München.
1937 wurde ihr schließlich noch der Allgemeine Geistliche Rat als Abteilung angegliedert, die fortan für Kirchenstiftungssachen und Pfründeangelegenheiten zuständig war. Er blieb aber sowohl als Abteilung innerhalb der Finanzkammer als auch als formell eigenständiges Gremium erhalten. Im Rahmen der Ordinariatsreform 1963 wurden jedoch Generalvikariat und Allgemeiner Geistlicher Rat als Gremien aufgelöst. Während das Generalvikariat als Zuständigkeitsbereich des Generalvikars innerhalb des Ordinariats als Bezeichnung erhalten blieb, verschwand der Allgemeine Geistliche Rat vollständig. |
Die Finanzkammer befand sich seit ihrer Gründung 1928 im Ordinariatsgebäude an der Pfandhausstraße (heute Pacellistraße), in dem die Diözesanverwaltung seit 1844 ihren Sitz hatte.
Im Ordinariat existierten von Anfang mindestens zwei, möglicherweise auch drei Registraturen nebeneinander. Bei der sogenannten Ordinariatsregistratur handelte es sich um eine Art Zentralregistratur, die das Schriftgut des Generalvikariates und des Allgemeinen Geistlichen Rates gemeinsam verwaltete. Daneben existierte noch die Registratur des Metropolitangerichts sowie des Ehegerichts, ggf. waren diese auch zusammengefasst. Nach der Zusammenlegung der jeweiligen Gremiensitzungen zur Ordinariatssitzung, verengten sich die Bezeichnungen Generalvikariat und Allgemeiner Geistlicher Rat faktisch auf die Zuständigkeiten des Generalvikars bzw. des Direktors des Allgemeinen Geistlichen Rats. Während anfangs beide Referenten noch in der Ordinariatsregistratur ihr Schriftgut ablegten, wurde die Registratur der Finanzkammer mit der Zeit die Registratur des Allgemeinen Geistlichen Rats: Die Funktion der Finanzkammer, die Vereinheitlichung des gesamten kirchlichen Finanzwesens, machte eine eigene Ablage unabdingbar, so dass mit der Finanzkammerregistratur zu den bisher bestehenden Registraturen im Ordinariat noch eine weitere hinzukam.
Kardinal Faulhaber bestimmte als ersten Direktor der Finanzkammer den Domkapitular Dr. Nikolaus Brem, der gleichzeitig auch Direktor des Allgemeinen Geistlichen Rates war, dem als Finanzrat Martin Grassl beigegeben wurde. Als Grassl 1937 selbst in das Domkapitel aufgenommen wurde, ordnete Faulhaber die Zuständigkeiten zwischen den beiden Referenten neu, indem er Grassl faktisch die Zuständigkeit für die Aufgaben der Finanzkammer zuwies, Brem die Aufgaben des Allgemeinen Geistlichen Rats leitete. Nominell blieb Brem sowohl Direktor des Allgemeinen Geistlichen Rates als auch der Finanzkammer. Spätestens 1937, als der Allgemeine Geistliche Rat eine Abteilung der Finanzkammer wurde, wurde die Registratur der Finanzkammer somit auch die Registratur des Allgemeinen Geistlichen Rats
Während die Ordinariatsregistratur sowie die Registraturen des Metropolitangerichts und des Ehegerichts infolge eines Bombentreffers auf das Ordinariatsgebäude im April 1944 vollständig vernichtet wurden, hat die Registratur der Finanzkammer, die sich in einem anderen Gebäudetrakt befand, den Krieg weitgehend unbeschadet überstanden. Nach der Zerstörung des Ordinariatsgebäudes wurden die Dienststellen auf verschiedene Standorte verteilt. Das Generalvikariat und das Kirchensteueramt zogen nach Freising, nur eine Zweigstelle des Generalvikariats wurde provisorisch in der Rochusstraße aufrechterhalten. Ebenso verblieb die Finanzkammer in München; die Geschäfte wurden hier von den Privatwohnungen der Domkapitulare Brem und Grassl aus weitergeführt.
Die mit dem Ausbau des Ordinariats seit den 1920er Jahren zu beobachtende Dezentralisierung wurde durch den Krieg bzw. die Zerstörung des Ordinariatsgebäudes nochmals beschleunigt. Das Fehlen eines gemeinsamen Arbeitsgebäudes führte dazu, dass die einzelnen Referate über einen längeren Zeitraum über die gesamte Stadt verteilt werden mussten, das Generalvikariat wurde zeitweise sogar nach Freising verlegt. Ein Ordinariatsneubau konnte erst Ende der 50er Jahre realisiert werden und die provisorische Unterkunft im Montgelaspalais am Promenadeplatz bot nur unzureichend Platz für die gesamte Ordinariatsverwaltung. Damit war aber zwangsläufig jeder Referent gezwungen, seine Akten selbst zu verwahren. Da sich diese Situation bis Ende der 1950er Jahre auch nicht grundlegend änderte, erhielten nun die meisten Referenten eine Sekretärin zugewiesen. Das bisherige Kollegialsystem mit nur einem Sekretär pro Kollegium wurde damit faktisch gesprengt.
Diese Tendenz setzte sich mit der Ordinariatsreform von 1963 und dem personellen Ausbau der einzelnen Referate fort, in deren Gefolge die Finanzkammer als Referat in das Ordinariat aufgenommen wurde und fortan nicht mehr nachgeordnete Einrichtung war. |
1. Allgemeine Informationen:
Zitierweise: Für die Wiederauffindbarkeit des Archivales sind lediglich das Archivkürzel und die vollständige Signatur der Verzeichnungseinheit nötig, z. B.: AEM, [Signatur]. Wird eine sprechende Zitierweise bevorzugt, kann nach dem Archivkürzel der Name des Bestandes eingefügt werden. Im Anschluss daran ist auch hier die vollständige Signatur des Archivales anzugeben, z. B.: AEM, Erzbischöfliche Finanzkammer, [Signatur].
2. Erschließungsarbeit
Lange Zeit lagen Unterlagen der Finanzkammer auf dem Dachboden der Finanzkammer bzw. der Karmeliterkirche. Ob diese bereits zu einem früheren Zeitpunkt an das Archiv abgegeben worden waren und außerhalb der Magazine gelagert wurden oder nur aus Platzgründen dort seitens der Finanzkammer gelagert wurden, ist nicht mehr nachvollziehbar. Erst bei Umräumarbeiten um 2000 sowie gezielten Recherchen konnten Finanzkammerunterlagen von der Gründung bis in die 1960er Jahre innerhalb kurzer Zeit an verschiedenen Orten ermittelt werden. Neben den Akten auf dem Dachboden fanden sich Unterlagen im Tresor der Finanzkammer, im Kirchensteueramt sowie in der regulären Finanzkammerregistratur. Zudem lagerten hier auch die Unterlagen der Gesamtkirchenverwaltung München.
Gemeinsam mit der erzbischöflichen Überlieferung bildet die Finanzkammer heute somit die Ersatzüberlieferung für die verbrannte Ordinariatsregistratur. Aus den verschiedenen Funden wurde ein Bestand „Erzbischöfliche Finanzkammer“ geformt. Die Grundlagen der Erschließung legte dabei ein Referendarkurs der staatlichen Archivschule im Rahmen eines mehrwöchigen Praktikums im Jahr 2007.
Die Überlieferung beginnt im Wesentlichen mit der Gründung der Finanzkammer 1928, greift aber mit Vorakten in die Jahre und Jahrzehnte zuvor zurück. Als Endjahr wurde dabei aus praktischen Erwägungen heraus 1965 gewählt. Ein natürlicher Aktenschnitt ist zu dieser Zeit nicht gegeben, vielmehr scheint die Registratur und die Organisation der Finanzkammer bis in die späten 1970er Jahre sehr stabil. Somit wurden bei den vorliegenden Unterlagen mit 1965 ein Aktenschnitt im Umfeld der großen Ordinariatrsreform 1963 gewählt, bei der die Finanzkammer ein Referat innerhalb des Ordinariats wurde. Je nach weiteren Abgaben aus der Finanzkammer wird der Bestand noch bis zu ihrer Neustrukturierung 1979 möglicherweise noch erweitert.
Der Bestand wurde in die vorherrschende Referatsstruktur der Finanzkammer dieser Zeit mit Finanz- und Stiftungsreferat gegliedert. Allerdings wirkt die zeitgenössische Vorgangs- und Aktenbildung der Finanzkammer unsystematisch und willkürlich, ein Sachverhalt kann sich so an verschiedenen Stellen finden. Auch waren aufgrund des Referentenprinzips Unterlagen anderer aus weiteren Zuständigkeiten v. a. von Brem und Grassl im Bestand, die dort auch weitgehend belassen wurden, da eine anderweitige Zuordnung kaum möglich war. Zudem führte speziell Brem Handakten mit einer eigenen Systematik. Ältere Akten scheint er zwar regelmäßig an die Registratur gegeben zu haben, doch verblieben noch Handakten im Bestand. Im Rahmen der Erschließung wurde eine Auflösung der Handakten und ihre Zuordnung im Bestand erwogen, letztlich aber wieder verworfen, vielmehr blieben sie als eigenständiger Gliederungspunkt erhalten.
Der Charakter als Ersatzüberlieferung für die Jahre bis 1944 verbot eine weitreichende Kassation, die sonst bei Finanzunterlagen üblich ist. Kassiert wurden im Wesentlichen nur Rechnungs- und Quittungsbelege, Postscheckabschnitte, Spendenbelege, Kontoauszüge, Überweisungsbelege, u.ä. Nach Abschluss des Praktikums wurde die Bearbeitung durch das Archiv in diesem Sinne weitergeführt und konnte 2012 weitgehend abgeschlossen werden. Die Bearbeitung beinhaltete die noch fehlende konservatorische Bearbeitung, eine Zusammenführung von offensichtlichen Titel-Doppelungen sowie die noch ausstehende Verzeichnung unbearbeiteter Akten. |