1. Entstehung von Knabenseminaren Wie die Priesterseminare gehen die Knabenseminare (in Bayern auch als Konvikte oder Knabenkonvikte, im 20. Jahrhundert auch als Studienseminare bezeichnet) auf das „Dekret über das Sakrament der Priesterweihe“ zurück, das auf dem Konzil von Trient (Tridentinum, 1545-1563) verabschiedet wurde. In der Folge wurde zwischen Seminaria maiora (= Priesterseminare) und Seminaria minora (= Knabenseminare) unterschieden. Die Salzburger Provinzialsynode von 1569 schrieb vor, dass an allen Klöstern und Stiften Knabenseminare gegründet werden sollten, die als Internate den Priesternachwuchses bereits im Schulalter fördern sollten. In der Regel geschah dies in Form von Singknabeninstituten; Seminare bestanden aber auch an den Gymnasien. Mit der Aufhebung der Stifte und Klöster in der Säkularisation mussten alle Knabenseminare schließen. An die Stelle der Klöster und Stifte als Seminargründer traten im 19. Jahrhundert nun die Bischöfe, die eine Priesterausbildung ohne staatlichen Einfluss etablieren wollten. Auch wenn sich die Bischöfe hier weitgehend durchsetzen konnten, so mussten die Seminaristen ihre schulische Ausbildung weiterhin an einem staatlichen (humanistischen) Gymnasium absolvieren.
2. Seminare in der Erzdiözese, Gründung des Knabenseminars Freising 1828 weihte der Münchner Erzbischof, Lothar Anselm von Gebsattel (1761-1846), auf dem Freisinger Domberg ein Knabenseminar ein. Das Seminar wurde untergebracht auf dem Areal des ehemaligen Kollegiatstifts St. Andreas westlich der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz (heute Kardinal-Döpfner-Haus), in der nahezu zeitgleich (1826) von König Ludwig I. ein Klerikalseminar (Priesterseminar) gegründet wurde. 1868-1870 erhielt das Knabenseminar einen großzügigen Neubau (heute Diözesanmuseum). Geleitet wurde das Knabenseminar von einem Inspektor (ab 1933 Direktor), den anfangs zwei, ab etwa 1880 vier Präfekten unterstützten. Alle zusammen hatten zugleich Funktionen an den benachbarten Bildungseinrichtungen auf dem Domberg, d.h. am Lyzeum (seit 1834, ab 1923 Philosophisch-theologische Hochschule), am Domgymnasium (seit 1828) und/oder am Klerikalseminar. Zudem waren sie allesamt zur Seelsorge am Freisinger Dom angewiesen. Die steigende Bevölkerungszahl, speziell in den Großstädten, führte zur Gründung weiterer Seminare im Erzbistum. 1859 wurde das bereits seit 1838 bestehende Seminar des Klosters Scheyern, das auch eine Lateinschule betrieb, zum erzbischöflichen Knabenseminar. 1929 folgte mit dem Studienseminar Traunstein ein weiteres Knabenseminar für den Südosten der Erzdiözese. Mit der Gründung von Spätberufenenseminaren im 20. Jahrhundert schuf man letztlich auch für Schüler, die kein Knabenseminar besucht hatten, einen möglichen Zugang zum Priesterberuf. Für die Erzdiözese wurde 1927 in München ein derartiges Seminar gegründet, das über eine Zwischenstation in Schloss Fürstenried 1957 nach Wolfratshausen-Waldram verlegt wurde (heute katholisches Schulzentrum St. Matthias mit Gymnasium, Fachoberschule, Kolleg und Wohnheim).
3. Erziehungsideal Die Seminaristen sollten ein abgeschiedenes Leben führen, das einer rigorosen Disziplin unterworfen und auf die religiös-sittliche Vervollkommnung ausgerichtet war; alle zukünftigen Priester sollten diese strenge Ausbildung durchlaufen. Dieses Erziehungsideal bestand im Wesentlichen bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts; seit den 1920er Jahren gab es jedoch vorsichtige Öffnungsversuche. So wählte man für die Neugründung in Traunstein 1929 bewusst den moderneren Namen "Studienseminar" und schaffte dort auch die bis dahin in den anderen Knabenseminaren geltenden strengen Kleidervorschriften ab. Die Seminare förderten gezielt Kinder aus sozial schwachen Familien und ländlichen Gegenden, soweit diese eine ausreichende Begabung erkennen und auf eine Berufung hoffen ließen. Zwar hatten alle Seminaristen grundsätzlich Pensions- und Kostgelder zu entrichten, allerdings verfügten die Seminare über zahlreiche Freiplatz- und Wäschestiftungen, die es auch armen Familien ermöglichten, ihre Kinder ins Seminar zu schicken. Entsprechend hoch war der Anteil von Kindern aus solchen Familien.
4. Das Knabenseminar Freising von der NS-Zeit bis zur Aufhebung Trotz Bestandsgarantien im Reichskonkordat von 1933 gerieten die Knabenseminare im "Dritten Reich" unter politischen Druck. Streitpunkt war von Anfang an die Mitgliedschaft der Seminaristen in der Hitler-Jugend, der erst mit der allgemeinen Einführung der Pflicht-HJ im März 1939 endete, da nun die Seminare ihre Schüler in die HJ einschreiben mussten. Der Krieg diente dem NS-Regime sodann als Vorwand, die Seminare vorrangig für fremde Zwecke zu beanspruchen oder zu beschlagnahmen. Der Seminarbetrieb kam mit den Kriegsjahren praktisch zum Erliegen. Nach Kriegsende erhielt die Kirche ihre zweckentfremdeten Seminargebäude zurück, so dass der Betrieb rasch wieder aufgenommen werden konnte. Durch die Neuausrichtung der Priesterausbildung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) wurde die Entwicklung der persönlichen Reife zum zentralen Ziel der Erziehungsarbeit. Als Ausdruck der Öffnung und Modernisierung wurde auch das Knabenseminar in Freising 1968 offiziell in Studienseminar umbenannt. Doch auch diese Reformbemühungen konnte nicht verhindern, dass der Anteil der Priester, der aus den Knabenseminaren hervorging, im Verhältnis zur Schülerzahl beständig abnahm. Nachdem auch die Zahl der Seminaristen immer weiter zurückging, wurde ein Großteil der bischöflichen Seminare in zahlreichen Diözesen ab den 1970er Jahren geschlossen. Das Studienseminar Freising ereilte bereits 1972 dieses Schicksal. Im Gebäude des Knabenseminars auf dem Domberg wurde 1974 das Diözesanmuseum eröffnet, dessen Errichtung 1971 beschlossen worden war. |
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